Die Jura

Historisches Wrack und Industriedenkmal im Bodensee

Die Jura ist das wohl berühmteste Süsswasserwrack und eine der Attraktionen für Taucher im Bodensee. Der Untergang jährte sich 2014 zum 150. mal.

Geschichte

Der Glattdeck-Schaufelraddampfer Jura im Seiten- und Grundriss. Aufbauten waren im 19. Jahrhundert unüblich. Für 400 Passagiere gab es ein einziges Rettungsboot. (Quelle: jurahans.ch)

Die Jura wurde 1854 von der Maschinenfabrik Escher-Wyss in Zürich als Glattdeck-Schaufelraddampfer in Holzbauweise gefertigt. Sie hatte eine Länge von 46.3 m, mass an der breitesten Stelle 10.25 m, einen Tiefgang von 0.9 m und war für 400 Passagiere zugelassen. Eine 45 PS starke Dampfmaschine trieb die zwei Schaufelräder an und beschleunigte das Schiff auf maximal 10 Knoten (ca. 19 km/h).

Am 7. November desselben Jahres nahm der Eigner «Société des Bateaux à vapeur du lac du Neuchâtel» die Jura auf dem Neuenburgersee in Betrieb. Vier Jahre später wurde die Bahnlinie Biel-Neuenburg-Yverdon eröffnet. Da nun viele Personen und Güter via Eisenbahn transportiert wurden, nutzten nur noch wenige das Schiff. So wurde die Jura 1861 an die «Dampfschifffahrts-Gesellschaft für den Vierwaldstättersee» in Luzern verkauft, in Einzelteile zerlegt und mit mehreren Fuhrkarren an den Vierwaldstättersee transportiert, wo sie jedoch nie zum Einsatz kam.

Im selben Jahr ereignete sich auf dem Bodensee ein Schiffsunglück. Der Raddampfer Stadt Zürich der «Nordostschweizerischen Bahnen» (NOB) stiess in einem schweren Sturm mit dem Bayrischen Schiff Ludwig zusammen, welches daraufhin sank. Da die Luzerner eigentlich auch gar kein zusätzliches Schiff brauchten, verkauften sie die Jura mit Gewinn gleich weiter an die «Königlich Bayrische Dampfboot-Gesellschaft». Die Jura wurde nach Lindau an den Bodensee transportiert, zusammengebaut und 1862 wieder in Betrieb genommen.

Untergang

Der Schriftzug auf dem Radkasten der Backbordseite der Jura ist nicht original. Er wurde nachträglich von Hans Gerber (Jurahans) angebracht. Auf der Steuerbordseite erkennt man nur noch die Abdrücke der Schrift, die Buchstaben fehlen.

Am Morgen des 12. Februar 1864 lag dichter Nebel über dem Bodensee. Die Jura befuhr die Kurslinie von Konstanz über Romanshorn nach Lindau. Die Stadt Zürich fuhr in der Gegenrichtung. Die Kapitäne beider Schiffe wussten, dass sie sich begegnen würden, so ordneten sie an, Signale zu geben. Dennoch kam es, dass die beiden Schiffe vor Bottighofen um etwa 10:30 trotz hastigem Ausweichmanöver in voller Fahrt zusammen stiessen. Der Bugspriet der grösseren und massiv gebauteren Stadt Zürich bohrte sich seitlich in das Vorschiff der Jura und riss es auseinander. Der Nebelausgucker, der ganz vorne sass, fiel herunter und wurde auf der Stelle zerquetscht. Einem Schiffsjungen wurde der Arm abgerissen. Der Bugspriet der Stadt Zürich blieb eine Weile stecken, worüber sich die Passagiere und Besatzung auf die Stadt Zürich retten konnte, denn innerhalb von nur 3-4 Minuten versank die Jura im eiskalten Wasser. Glücklicherweise befanden sich nur sechs Passagiere an Bord.

Die Stadt Zürich war ein Unglücksschiff und in mehrere Unfälle verwickelt. Nur wenige Monate später rammte sie im Lindauer Hafen das Dampfschiff Stadt Lindau. Ein bayerischer Reporter schlug daraufhin vor, die Stadt Zürich nach Dänemark zu verkaufen, da es bereits mehr deutsche Schiffe versenkt habe als die gesamte dänische Kriegsflotte.

Das backbordseitige Schaufelrad der Jura.
Eines der Bullaugen, das den Blick ins leere Innere der Jura freigibt.
Vom Steuerrad am Heck des Dampfschiffs ist nur noch das Getriebe übrig, welche die Bewegungen mit zweimaliger Übersetzung auf das Ruder übertrug.
Die zwei Davits am Heck der Jura, an welcher seinerzeit das Rettungsboot befestigt war. Es liegt unweit dieser Stelle auf Grund und war bei der Kollision nicht zum Einsatz gekommen.

Entdeckung

Über diese Treppe auf der Steuerbordseite stiegen Mitte des 19. Jahrhunderts die Passagiere an Deck. Oben liegt der Schornstein, welcher bis vor wenigen Jahren noch aufrecht stand.

Als 1976 Hans Gerber (Jurahans) mit seinen Kollegen am Ufer des Bodensees tauchen ging, war die Froschmänner immer eine kleine Sensation. In Bottighofen und Münsterlingen fragten ihn ältere Einheimische, ob er zum Schiff hinunter tauchen wolle. Noch aus der Generation der Väter und Grossväter sei bekannt, dass hier irgendwo ein Raddampfer untergegangen sein soll. Das Interesse von Hans Gerber war geweckt. Er recherchierte in alten Zeitungen und fand Berichte über die 1864 gesunkene Jura. Ein alter Fischer führte ihn hinaus zu einer Stelle wovor ihn früher dessen Vater gewarnt hatte, dass sich dort immer die Netze verhedderten. Könnte hier die Jura liegen?

Die Suche war lange und schwierig. Der Bodensee ist an dieser Stelle knapp 40 Meter tief. Die Sicht war damals sehr schlecht, da es noch keine Kläranlagen gab. Technische Hilfsmittel wie Echolot oder Unterwasserkamera waren damals unerschwinglich. Nach 52 Tauchgängen stiess Hans Gerber endlich auf den Bug der Jura und war überwältigt. Doch das Steuerrad war abgesägt, die Schiffsglocke und weitere Gegenstände fehlten - er war offenbar nicht der erste.

Jahre später stellte sich heraus, dass bereits 1953 der Taucher Ludwig Hain das Wrack zufälligerweise auf der Suche nach einem im Zweiten Weltkrieg abgestürzten Flugzeug entdeckte. Dann stiessen Taucher im Auftrag des Unternehmers und Bergungsexperten Martin Schaffner (Bomber-Schaffner) auf das Wrack. Er liess 1952-65 zahlreiche in Schweizer Seen abgestürzte Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg bergen und vermarkten. Sein Traum war es, die Jura zu heben, um daraus ein Restaurant zu machen. 1965 verstarb er jedoch vorzeitig. Danach geriet das Wrack der Jura wieder in Vergessenheit.

Schutz des Wracks

Im Laufe der vergangenen 150 Jahre hatte das kalte, sauerstoffarme Wasser das Wrack erstaunlich gut konserviert, doch die letzten Jahrzehnten hatten dem Wrack stark zugesetzt:

  • Beim Hafenausbau in Kreuzlingen wurde unwissentlich Schlamm direkt über dem Wrack verklappt.
  • Bootsführer suchten mit Schleppankern nach dem Wrack oder liessen schwere Platten für Bojen auf das Wrack fallen.
  • Taucher liessen Gegenstände als Souvenir mitlaufen oder beschädigten das Wrack.
  • Durch das Betauchen der Innenräume bildeten sich Gasblasen und der erhöhte Sauerstoffanteil von Nitrox sorgte für einen beschleunigten Zerfall.

Man schätzt, dass jährlich rund 3000 Tauchgänge am Wrack der Jura absolviert werden.

Die 2002 gegründete «Stiftung Historische Schifffahrt Bodensee» (SHSB) ha die Absicht, das Schiff zu bergen und zu restaurieren. Eine Bergung der Jura hätte ihren Reiz, handelt es sich hierbei um eines der ältesten Dampfschiffe der Welt. Seit 2008 ist es aber ruhig, denn es fehlen konkrete Pläne und finanzielle Mittel.

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat die Jura 2004 unter Schutz gestellt und auch für den Kanton in Besitz genommen, um Streitigkeiten verschiedener Interessenten entgegen zu wirken und das Wrack als Kulturdenkmal zu erhalten. Das Amt für Archäologie wurde mit der Umsetzung und Wahrung der Interessen beauftragt.  Mit der Unterschutzstellung besteht so die Möglichkeit mutwillige Beschädigung oder Entwendung von Objekten strafrechtlich zu verfolgen.

Was vom Radkasten auf der Steuerbordseite noch übrig geblieben ist. Hier befand sich die Kombüse. Die Kiste mit den drei runden Löchern könnte ein umgekippter Kochherd sein. Vorne ist noch ein Kochtopf zu erkennen.
Die Ankerwinde der Jura vorne am Bug. Anker, Kette und Glocke fehlen.
Der Bugspriet der Jura mit schönen Schnitzereien.
Der Radkasten auf der Backbordseite der Jura wurde durch den Zusammenstoss nicht beschädigt und ist noch gut erhalten. Hier war das Plumpsklo direkt über dem Schaufelrad.

Tauchen am Wrack

Blick von oben auf die mittschiffs liegende Antriebswelle mit den Kolben der Dampfmaschine.

Seit Juni 2013 hat Erich Neuhauser die Fahrten von Hans Gerber übernommen. Mit dem neuen Boot dauert die Fahrt vom Hafen in Bottighofen bis zum Wrack nur fünf Minuten.  Ausfahrten werden von März bis November jeweils am Wochenende oder an Feiertagen durchgeführt.

Das Wrack der Jura liegt auf etwa 38-40m Tiefe aufrecht auf dem Grund. Das Vorschiff ist auf der Steuerbordseite vom Aufprall zerstört. Ein paar Meter vom Heck entfernt liegt noch das Rettungsboot. Ein Tauchgang ist mit einem Museumsbesuch zu vergleichen und so soll man sich auch verhalten, wenn das Wrack auch noch künftige Taucher erhalten bleiben soll:

  • Das Betauchen der Innenräume ist verboten.
  • Nichts anfassen, mitnehmen oder liegenlassen.
  • Maximale Grundzeit mit Luft 18 Minuten, mit Nitrox 22 Minuten.

Wer an der Jura tauchen gehen will, muss genügend Erfahrung im Süsswasser inklusive Freiwasser Ab- und Aufstieg im Trockenanzug besitzen. Der Tauchplatz ist nicht ohne Risiken: Am Grund ist das Wasser etwa 6 Grad kalt, dunkel. Die Sicht kann plötzlich auf Null gehen, wenn Sedimente aufgewirbelt werden. Dann verpasst man leicht das Wrack oder das Ankerseil für den Aufstieg. Die maximale Grundzeit oder 100 Bar sind allzu schnell erreicht. Es gab leider schon mehrere tödliche Tauchunfälle in den letzten Jahren.

Empfehlenswert ist für Sporttaucher ein 28% Nitrox-Gemisch und mindestens eine 15 Liter Flasche. Eine kaltwassertaugliche Ausrüstung sollte in unseren Gewässern selbstverständlich sein.

Quellen

  • Bayerischer Kurier, 8. Jahrgang, Nr. 47, 17. Februar, 1864, S. 328 (Google Books)
  • Der Volksbote für den Bürger und Landmann, Nr. 37, 16. Februar 1864, S. 163 (Google Books)
  • Dr. Hansjörg Brem: «Ein Wrack erregt die Gemüter: Das Dampfschiff JURA vor Bottighofen/TG, Schweiz», Nachrichtenblatt Arbeitskreis Unterwasserarchäologie (NAU), Band 13, 2006, (PDF)
  • Jurahans: jurahans.ch
  • Jurafahrten: neutaucher.ch
  • Martin Hugo Schaffner (Wikia)
  • Jura (Schiff, 1854): (Wikipedia)
  • Stadt Zürich (Schiff, 1855): (Wikipedia)